Neue Bedingungen lassen noch mehr Spielraum zum Ausspähen
Millionen von User-Daten für 19 Milliarden Dollar. Diesen Rekordbetrag legte Facebook den WhatsApp Gründern, Jan Koum und Brian Acton, für eine der erfolgreichsten App-Entwicklungen der letzten Jahre auf den Tisch. Nachdem Facebook mit Überalterung kämpft, soll der Mitteilungsdienst nun neue Datenquellen für Facebook eröffnen und vor allem das jüngere Klientel „glasifizieren“. Die Nutzungsbedingungen von WhatsApp sind jedoch rechtlich mehr als bedenklich und erreichten erst am 25.02.2014 einen neuen Höhepunkt der „freiwilligen“ Ausspähung von Usern.
Erst Stasi, dann NSA, jetzt WhatsApp?
Fast jeder Smartphone User nutzt mittlerweile die unschlagbar günstige SMS-Alternative WhatsApp. Die mittlerweile zum alten Eisen gehörende und nur 20 Jahre alt gewordene SMS hat in den letzten Jahren stattdessen mit enormen Umsatzeinbußen zu kämpfen. Laut Jan Koum, CEO von WhatsApp, ist der vor fünf Jahren an den Markt gegangene Mitteilungsdienst WhatsApp in Deutschland sogar beliebter als Facebook. Unrecht hat er damit nicht, denn in der Tat hat die Nachrichten App monatlich über 30 Millionen aktive Nutzer und das allein in Deutschland. Wie viel Umsatz das Unternehmen jährlich mit seiner Dienstleistung macht, lässt sich also recht einfach abschätzen (30 Mio x 0,99$ x X Jahre= §%&).
Seit Jahren ist die SMS-Alternative allerdings vor allem wegen massiver Datenschutz-Mängel in der Kritik. Seit letzter Woche hat das Unternehmen diesem ohnehin schon schwierigen Thema noch einmal die Krone aufgesetzt. Folgt man den neu – und durchaus kreativ – gestalteten App-Berechtigungen, so steht dort Folgendes zu lesen: Neue Bestimmungen ermöglichen „der Anwendung, Fotos und Videos mit der Kamera aufzunehmen. So kann die Anwendung jederzeit Bilder aus dem Sichtfeld der Kamera erfassen“. Diesen Bedingungen muss jeder User „freiwillig“ zustimmen, um die – für einige fast schon „überlebensnotwendige“ – App weiterhin nutzen zu können. Ein Schelm wer böses dabei denkt – aber, was sollte WhatsApp mit dieser permanenten Videoüberwachung denn Gutes für uns wollen? Viele User haben diese Änderung der Klauseln eventuell noch nicht einmal mitbekommen, da wir, bequem wie wir nun mal sind, solche außer Frage stehenden Updates auch automatisch und ohne zusätzliche Zustimmung im Hintergrund laufen lassen können.
Dürfen die das überhaupt?
Die neue Klausel ist allerdings bisher wenig in der Diskussion, vielleicht weil man sich an solche Einschnitte in das Privatleben – besonders durch Smartphone Apps – mittlerweile gewöhnt hat. Sollten wir uns dennoch damit zufrieden geben? Wieviel Leichtgläubigkeit lohnt sich? Und wie sieht es überhaupt rechtlich mit solchen Änderungen aus, dürfen die das? Die Antwort: Wegschauen hilft leider in den seltensten Fällen und ja, die Methoden von WhatsApp sind rechtlich tatsächlich fraglich.
Christian Früchtl, Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Pöhlmann • Früchtl • Oppermann, ist von der Zulässigkeit der neuen WhatsApp Zusatzklausel nicht überzeugt: „Wenn ich richtig verstehe, führt das aktuelle Update von WhatsApp dazu, dass die Anwendung jederzeit Audio- sowie Bild- und Videoaufzeichnungen tätigen kann, ohne dass der Nutzer der Anwendung dies im Einzelfall beeinflussen kann, und ohne dass er dies möglicherweise bemerkt. Dies halte ich für sehr bedenklich.“ Der Nutzer stimme zwar den Änderungen zu, doch seien die Änderungen einschneidend und die sich daraus ergebenden Folgen kaum kalkulierbar, so Früchtl.
Nach der Übernahme durch Facebook wird sich der Fall WhatsApp sicherlich noch einmal verschärfen. WhatsApp äußerte nach dem Entschluss zur Übernahme mit fast schon überheblicher Bauernschläue: “Hier ist alles, was sich für unseren Kunden ändern wird: nichts”. Schlimm genug. Ob in dieser Angelegenheit jedoch rechtlich vorgegangen wird, bleibt offen. Im Social Web werden User aktuell jedenfalls mit WhatsApp Alternativen bombardiert. Threema, Line oder Viber werden sich in den nächsten Monaten also über stetigen Zuwachs freuen dürfen, zumindest bis zur nächsten Ausspäh-Affäre.