Re:publica 2013 – Das Ereignis. Die Gesellschaftskonferenz.

Bild_1_2194841589Die Re:publica ist Reizüberflutung. Positive Reizüberflutung, wie man sie auch im Internet findet, nur offline mit Applaus und persönlichen Gesprächen. Und genau das macht diese drei Tage so wahnsinnig spannend. Während wir im Internet Zugang zu unendlich vielen Seiten und Informationen haben, stellt sich auch auf der Re:publica jeder sein individuelles Programm zusammen. Jeder der 5.000 Besucher aus mehr als 50 Ländern findet bei den rund 450 Speakern und 263 Vorträgen mit 268 Stunden Programm auf elf Bühnen eine einzigartige Vielfalt. Drei Tage lang „surfen“ wir offline zwischen Stage 1 und Workshop xy hin und her und versuchen so viel wie möglich aufzusaugen, bevor wieder alle in ihre Welten hinter die Bildschirme verschwinden und wir auf all diese Informationen nur noch digital zugreifen können. Hier in Berlin gilt es nicht als unhöflich ständig auf sein Smartphone zu starren, die Zuhörer warten permanent auf das perfekte Zitat für Twitter. Wir lauschen CEO’s, Parteimitgliedern, Netzaktivisten, Bloggern, You Tube Stars, Müttern, Journalisten und verfolgen in Echtzeit Infografiken, Tweets, Ebooks und Videos über das eben gehörte oder den Vortrag auf der Bühne nebenan.

Im Folgenden erzähle ich von meine persönlichen Top 10. Sehr empfehlenswert ist dieser Link. Hier gibt es viele spannende Sessions noch einmal zum Anschauen.

  • Eine tolle Auftaktsession fand am Montag mit Betsy Hoover (@betsyhoover) statt. In 45 Minuten erzählte sie uns unter dem Thema „Community Organizing“ von ihrer spannenden Arbeit als digital Strategist für die „Obama for America 2012“ – Kampagne. Mit einem Team von knapp 300 Digis mobilisierte sie online auf mitreißende und inspirierende Art alte und neue Wähler auf unterschiedlichen Social Media Kanälen.
  • Interessant war auf jeden Fall auch wieder der – mittlerweile schon traditionelle – Überraschungsvortrag von Blogger und Autor Sascha Lobo (@saschalobo). In den kommenden Tagen wird er mit seinen aufgestellten Thesen immer wieder zitiert – für meinen Geschmack fast ein bisschen zu oft, aber er hat durchaus sehr interessante Denkansätze vorgestellt. Unter anderem auch ein Logo für das Internet und sein aktuelles Reclaim Social Media – Projekt, das ermöglichen soll, dass alle eigenen Social Activities und die der Freunde übersichtlich auf einem Blog zusammengeführt werden. Die Besucher der Re:publica tituliert er als „Hobbylobby“, die sich mutig und engagiert für ein freies, offenes und sicheres Internet einsetzen und generell „mehr machen“ soll.Modeblogger_2e6f4c1e57
  • Unter dem Thema „Modeblogger vereinigt Euch“ diskutieren Blogger und Netzwerkvertreter am Dienstag die Vor- und Nachteile von Netzwerken, transparentem Product Placement, die Unabhängigkeit eines Modeblogs, gebündelte Reichweite, die Professionalisierung junger Nachwuchsblogs und die Möglichkeiten des Measurements. Es wird die These aufgestellt, dass in Amerika und Skandinavien Kooperationen zwischen Blogs/Netzwerken und Unternehmen/Agenturen in anderen Dimensionen stattfinden. Wie viel Power online hat, ist ihrer Meinung so noch nicht in allen Unternehmen in Deutschland angekommen. Mit dem Zitat „Ich will nicht basteln“ macht David von dandydiary.com aber auch noch einmal klar, wie wichtig die individuelle Ansprache und das perfect Match zwischen Blog und Marke ist, um Glaubwürdigkeit zu gewährleisten und Leser zu binden.
  • Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender der Daimler AG, sprach in der Session „Das vernetzte Auto – wie verändert sich unsere Mobilität?“ überDaimler_CEO_e18759a7a1 autonomes Fahren, das Erfolgsmodell car2go und wie durch GPS und Apps in Zukunft Parkplatzprobleme gelöst werden sollen. Durch Zitate wie „wir wollen Teil der Veränderung sein“ oder die Schilderung des Autos, das der Fahrer unten am Parkhaus abstellt und welches sich dann selbst einparkt, wird er am Tag 2 der Re:publica unter dem Hashtag #stage1 für ein paar Stunden zum Twitter-Liebling.
  • Das Thema Schule – Kinder/Jugendliche, die heute in der digitalen Welt groß werden, wurde an allen drei Tagen aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln beleuchtet. Für mich als nicht-Lehrerin und nicht-Mutter war es sehr interessant zu hören, wie wichtig es den internetaffinen Pädagogen auf der Re:publica ist, dass die Kinder den Umgang mit den Medien und dem Internet in der Schule lernen und wie viel Mehrwert verloren geht, weil viele Schulen Angst vor dem Kontrollverlust der Medien haben. Immer wieder taucht der Gedanke auf, dass alle Energie für das Aussperren von Medien verschwendet wird. Großes Highlight ist zu diesem Netzgemuese_c117a2a9cbThema der Netzgemüse-Rant von den Autoren des gleichnamigen Buches, Tanja und Johnny Haeusler. Besonders im Kopf geblieben sind mir die Zeilen „Lasst sie die Keller der Alten entrümpeln auf Ebay, die Website der Kirchengemeinde bauen, die Geschichte ihres Dorfes im Netz archivieren, Opas Erinnerung auf YouTube raushaun, bittet um ihre Hilfe, wenn der Schulserver streikt und der Lehrer die Präse am Smartboard vergeigt, zeigt, dass wir sie brauchen und ihr technisches Können. Lasst sie teilhaben, teilnehmen.“, da hier noch einmal sehr deutlich klar wird, dass die neue Technik eben nicht nur Gefahr und Zeitverschwendung bedeutet, sondern vor allem neue Möglichkeiten. Hier der komplette Rant.
  • Dem Thema „Crafting“ wurde interessanterweise auf der Re:publica auch ein 30-minütiger Slot gewidmet: Nicht nur offline ist der Trend stark zu beobachten. Auch online wächst die Community. Daniela Warndorf und Kiki Haas sprechen von 24 Millionen Menschen weltweit, die Stricken, Nähen und Häckeln wieder cool gemacht haben und auf unzähligen Plattformen und Blogs wie Etsy.com und Dawanda.com mit Lieblingsstücken Ruhm und Geld erlangen.
  • Auch interessant: Christine Heller (http://www.punktefrau.de/blog/) erzaehlt in der Session „Personal Branding Kampagne: Wie der neue Job dich findet“ von ihrer Online-Kampagne, bei der sie sich über ihre Social Media Kanäle bewirbt und innerhalb von vier Wochen ihren Traumjob ergattert. Jobsuche 2.0., die uns im Umkehrschluss auch lehrt, dass wir auf potentielle Social Media Mitarbeiter statt der traditionellen Stellenausschreibung individueller eventuell noch erfolgreicher zugehen können. Begleitet wurde die Session von Jochen Mai (http://karrierebibel.de/), der Risiken und Herausforderungen dieser neuen Bewerbungsform diskutierte und weitere Beispiele – zum Beispiel das Google Job Experiement: www.youtube.com/watch aufwies.
  • Etwas unterhaltsamer ging es bei dem Thema „Cat Memes“ zur Sache. Kate Millner (http://katemiltner.com/) schrieb ihre Masterarbeit zum Catpublica_9f978d8372Thema „LOLCats“ über das Phänomen der „LOL Cats“ im Internet. Warum sind diese Katzen so erfolgreich? Wer verbreitet die Katzen im Internet und was sagt das über die drei verschiedenen Fokusgruppen aus?
  • Der Journalist, TV Reporter und Autor Daniel Broeckerhoff fasst in seiner Session noch einmal sehr schön zusammen, was Open Journalismus für ihn bedeutet und wie die digitale Welt den Journalismus bereichern kann. Unter dem Titel „Was meine Mutter und offener Journalismus miteinander zu tun haben“ fasst er seinen Vortrag auf seinem Blog noch einmal persönlich zusammen.
  • Das Thema Alltagssexismus hat als #aufschrei Anfang des Jahres bereits viel Aufmerksamkeit bekommen. Auf der Re:publica wurde in einer sehr emotionalen Session von Initiatorin Anne Wizorek (@marthadear) geschildert, wie sich das Thema für sie und ihre Mitstreiterinnen entwickelt hat und was es letztendlich gebracht hat. Das sonst eher freche Re:publica -Publikum twittert von Gänsehaut und tiefer Betroffenheit und würdigt den ergreifenden Vortrag mit tosendem Applaus. #aufschrei ist nun für den Grimme Online Award nominiert.