IN/SIDE/OUT re:publica 2013

Foto__2__451cb92038IN/SIDE/OUT: so das Leitmotiv der diesjährigen re:publica. Dabei soll Wissen, Austausch und Diskussionen der re:publica nach außen getragen werden.  Aber auch digitale und analoge Welten sollen mehr in Einklang gebracht werden. Die Themenfelder der Vorträge und Workshops reichten von politischen Diskussionen (z.B. Facebook vom Revolutionsmacher zum Revolutionsgegner); medienwissenschaftlichen Diskursen und Einordnungen bspw. Crafting und Craftistas (z.B. eingestrickte öffentliche Gegenstände); Rückblicke im juristischen Sinne zu Recht und Social Media und Ausblicken von Debatten wie #aufschrei.

Für meinen Teil möchte ich Diskussionen über Urheberrecht, Netzneutralität und Hacking nach außen tragen, um IN/SIDE/OUT gerecht zu werden:

Das deutsche Urheberrecht aus einer längst vergangenen Zeit?

Social Media und Urheberrecht lassen sich in Deutschland noch immer schwer vereinbaren. Im Vergleich zu einer „mein Haus, mein Auto“- Mentalität greifen in einer Sharecommunity andere Modelle, Hintergründe und Ideologien. Eine wichtige Errungenschaft ist im sozialen Netz das Teilen von Inhalten. Die dadurch entstehende Viralität dient letztlich, so die Verteidiger von Shareconomy, vor allem dem Inhaltsersteller z.B. Künstlern, die ihre Werke verbreitet haben möchten. Dem Urheberrecht wird unterstellt, dass es beim Teilen von Bildern und Videos keine Möglichkeit des Zitierens sieht. Es braucht immer die Erlaubnis des Urhebers oder Rechteinhabers, um ein Bild oder Video teilen zu dürfen –und dabei sind das die Medien, die sich am meisten und schnellsten verbreiten – und das in einer Gesellschaft, in der Plattformen schnell zu bedienen sind (im dem Sinne: Ein Klick und ein Bild ist geteilt) und auch bedient werden müssen (Stichwort Informationsflut – was ich gerade gesehen habe, habe ich später vergessen). Doch wie Thorsten Feldmann (@feldblog) und Henning Krieg (@kriegs_recht) bemerken: Nur weil es eine Funktion des Teilens auf einer Plattform gibt, heißt das noch lange nicht, dass man sie auch nutzen darf . Eine große Diskussion entstand genau darüber. Auch über Agenturen, die sich das zu Nutze machen : virale Bilder werden von Urhebern abgekauft und danach alle Seiten (Blog, Facebook) abgemahnt, die das Bild verwenden. Auch die Tatsache, dass Deutschland eines der wenigen Länder ist in der die erste Abmahnung bereits Geld kostet wurde stark kritisiert.

Einen Lösungsvorschlag gab es aber auch: Es gibt andere Regelwerke, die vorzeigbar funktionieren. Als Beispiel wären das Disziplinen wie Zauberei oder Komödianten. Hier greift das Urheberrecht nicht, doch gibt es viele soziale Bestimmungen, die letztlich den Sachverhalt regeln: Bedient sich ein Zauberer unerlaubt eines Tricks eines Anderen, so wird er von den anderen Zauberern ausgeschlossen. Als anderes Beispiel wurde „Gaming“ hervorgehoben. Viele Computerspiele ähneln sich sehr und dennoch leidet die Gaming-Branche nicht. An dieser Stelle wird es meiner Meinung nach aber undifferenziert: Eine Branche mit dem Schicksal Einzelner zu vergleichen hinkt – so kann man auch argumentieren, dass die Doktorarbeiten-Branche insgesamt boomt…

Netzneutralität – oder Pommes mit Mayo

Sie war da: die Telekom . Und ihr Botschafter wurde auch gleich ausgebuht. Die Telekom sorgt derzeit für Empörung: Die Internet-Flatrate soll abgeschafft werden und wer viel Volumen im Internet verbraucht, der soll zukünftig auch mehr zahlen. Dies kann man erst mal verteidigen: ich will für eine 200 Gramm Portion Pommes weniger zahlen als der Typ neben mir für ein Kilo Pommes (obwohl – wenn ich mich erst mal daran gewöhnt habe, dass ich Pommes per re:fill bekomme?) Die Telekom verteidigt das System als gerecht – was allerdings nicht alle so sehen: Denn Internetdienste wie Entertain der Telekom würden bevorzugt behandelt werden. Das könnte sich wie folgt auswirken: Fernsehsendungen on demand im Internet verbrauchen ein großes Internetvolumen. Wird ein Film über Entertain der Telekom angesehen, wird weniger Volumen abgerechnet. Nutzt man andere Dienste fallen die tatsächlichen Datenpakete an. Es wird also befürchtet, dass wieder ein Monopol der Telekom etabliert wird. Als vereinfachendes und plakatives Beispiel: 200 Gramm Pommes sind also für den gleichen Preis zu haben, die Firmeneigene Mayo gibt es dazu noch oben drauf. Wenn ich aber Ketchup will, dann darf ich pro Tropfen ordentlich bezahlen. Die Angst von Mr. Ketchup: Der Kunde bleibt lieber bei der Mayo. Was also tun? Auf der re:publica verschafften sich vor allem die Stimmen Gehör, die gegen die Idee der Telekom sind. Es sei ein Rückschritt, verletze die Neutralität des Netzes. Persönlich verstehe ich die Sorge. In diesem Zuge ist für mich ebenso zu diskutieren, inwiefern das Internet vielleicht der letzte (oder erste?) Raum ist, in dem Gleichberechtigung und Neutralität möglich waren. Was können wir selbst tun, damit dies erhalten bleibt? Wie können wir unser Internetnutzen anpassen? Oder reicht es aus, den Vorstoß der Telekom zu blockieren?

Hacking im öffentlichen Raum

Für mich eine der interessantesten Diskussion entstand im Zuge des Vortrages von Mey Lean Kronemann (@lumibots) zum Thema Lovepicking und die Folgen.

Es geht um Schlösser. Sich liebende Menschen hängen Schlösser auf, z.B. an Brücken, die feste Beziehungen markieren, die nicht gebrochen werden können. Dies wird unterstrichen, da die Liebenden selbst den Schlüssel in den Fluss werfen, damit sie nicht im Stande sind den Bund der Liebe jemals zu öffnen und der Welt an mit einem Denkmal ihre Liebe zeigen. Ja, darin stecken viele Metaphern, der Gedanke der ewigen Liebe und Symbolik. Doch diese Schlösser wurden „gehakt“, also aufgebrochen ohne sie zu beschädigen und an einer anderen Stelle der Brücke wieder aufgehängt. Und nicht nur das: Es wurde dabei eine Kette aus allen Schlössern angefertigt. Klingt nach einer lustigen Idee? Es gibt große Empörung, nicht nur im Netz sondern auch im Vortrag: Das darf man nicht! Ein Bund der Liebenden wird beschädigt, mit anderen Liebenden kombiniert, die vielleicht gar nicht gemocht werden. Die Tatsache, dass es generell meist sowieso verboten ist diese Schlösser aufzuhängen und diese ab und an von Städten aufgebrochen und entsorgt werden ist dabei nicht relevant und nicht diskussionswürdig. Auch hat sich nach Mey Lean kein betroffener Liebender bekannt und es als störend gemeldet – oder eine Rückmeldung gegeben, dass die Beziehung sich durch das Umhängen des Schlosses verändert hätte. Stattdessen hat sich die erst mal die nicht betroffene Gesellschaft nach einem Stern-Artikel zu Wort gemeldet. Dabei wurde nicht nur fachlich die Fassungslosigkeit zum Ausdruck gebracht – sondern auch feindselige und sehr beleidigende Kommentare ausgedrückt.

In der Diskussion nach dem Vortrag geht dies auch weiter. Die Rednerin verteidigt das Projekt als „Kunst“. Diese eckt an, bringt an Grenzen und hinterfragt Normen und stellt die berechtigte Frage, in welcher Gesellschaft wir leben, wenn das Bestehen einer Liebe an einem Schloss hängt. (Auf der anderen Seite wäre in jeder anderen Kultur auch die Aufregung groß, würde man bspw. Figuren die Schutz o.ä. symbolisieren umgetauscht oder vom Hauseingang an den Hintereingang stellen.) Doch es gibt eine Gegenstimme – und diese richtet sich in gewisser Weise gegen Netzkultur und Hobbylobby an sich. Die „Nerds“ und Hacker und damit auch die Hobbylobby wird als arrogant und überheblich empfunden – eine technische Überlegenheit (wie das Schlösser knacken) wird schamlos ausgenutzt um auf die anderen nicht affinen Menschen herabzuschauen und Grenzen aufzuzeigen – so auch im Netz, wenn Seiten gehackt werden. Sicher muss man an dieser Stelle unterscheiden was der Hacker erreichen will und gegen wen sich sein Angriff richtet. Dennoch nehme ich mit, weniger über Menschen ohne Netz-Expertise (und sei es, dass jemand keinen Facebook-Account o.ä. besitzt) zu lächeln. Denn nur so sehe ich, dass die Hobbylobby Bestand haben wird und auch als solche akzeptiert wird.