re:publica 2014 – persönlicher Rückblick Teil 2

Republica_f52848e977 (1)Bye bye Gatekeeper: Wer bestimmt die Themen im Netz?

Im vergangenen Jahr sorgte die Session mit Anne Wizorek (hier entlang) für mächtig #Aufschrei und #Gänsehaut. Dieses Jahr diskutierte Anne Wizorek auf der Bühne mit Kübra Gümüsay, um über die Folgen von #Aufschrei (wurde zum Hashtag #Queeraufschrei und #Cissexismus weiterentwickelt) und die Geschichte von #Schauhin zu sprechen. Anders als #Aufschrei wurde #Schauhin geplant und ganz gezielt eingesetzt, um auf alltäglichen Rassismus aufmerksam zu machen.
Durch Twitter schaffen es beide Themen, als ein gesellschaftliches an Menschen herangetragen zu werden. Die Community fühlt sich durch den Hashtag und die Erzählungen anderer miteinander verbunden und traut sich nun aus ihrem Loch zu kriechen. Auch offline: Nach Bekanntwerden von #Aufschrei wurde die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wesentlich häufiger aufgesucht.

Mit Twitter erreicht man nicht die gesamte Gesellschaft, daher ist man nach wie vor auf die Printmedien angewiesen. Twitter ist aber ein gutes Tool und da es von vielen Journalisten genutzt wird, könnte das ein oder andere relevante Thema bald dann doch mal auf der Agenda der Tageszeitungen auftauchen. „Ein Thema das mich betrifft, betrifft eventuell auch andere. Dann muss ich mir einen Kanal suchen und kann selber Agenda Setting machen. Mein Leserbrief wäre vielleicht nicht veröffentlicht worden“, so Kübra Gümüsay. Es geht um den gemeinsamen Ansatz aus der Community, Themen müssen für die Mainstream News gebündelt werden.

#Aufschrei hat es in den internationalen Jahresrückblick von Twitter geschafft.

Zur ganzen Session hier entlang: http://www.youtube.com/watch?v=I2cawQ5oim0

Geschichte twittern: Wie, was, wann?

Noch mehr Twitter, aber eine ganz andere Idee dahinter: Ich klicke auf *folgen* und werde mit der historischen Realität konfrontiert. Kein Museum. Kein Geschichtsbuch. Kein Geschichtsprofessor.

Mit sehr viel Sorgfalt werden authentische Quellen ausgewählt und @9Nov38 getwittert. Kein Tweet hat banalen Inhalt. Die angehenden Historiker Moritz Hoffmann und Charlotte Jahnz haben es geschafft, mehr als 10.000 Follower für die Themen Nationalsozialismus und die Novemberpogromen zu interessieren. In der Nacht vom 9. auf den 10. November blieben viele wach, um in live Tweets die Geschichte nachzuerleben.

Wir sind uns einig: Geschichte twittern ist in. Wer macht was zum Thema 25 Jahre Mauerfall?

Zur ganzen Session hier entlang: http://www.youtube.com/watch?v=imtp_1tlibY

Supergeiler First Kiss – Viralität nur gegen Kohle?

Oder: Bitte mach mir ein virales Video!
Der Traum eines jeden Unternehmens: Ein Video, das mit wenig Geld und Aufwand in kürzester Zeit viral geht. Einfach weil es so witzig/hübsch/lifestylig/anders ist. Wir alle wollen Reichweiten und, dass mehr als die üblichen Verdächtigen auf uns aufmerksam werden, doch das ist gar nicht so einfach.

Auf der Bühne sitzen Marco Vollmer und Melanie Gömmel vom WWF, Christian Brandes und Journalist Martin Giesler und diskutieren über das Teilen von Inhalten.

Was bewegt Menschen dazu, Inhalte zu teilen?

• Andere Menschen bilden, überraschen, unterhalten
• Sich bei anderen Menschen über Inhalte zu definieren und dazustellen
• Netzwerke über Inhalte ausbauen
• Sich selbst verwirklichen
• Marken bewerben oder bestärken

Doch was wird geteilt, ge-re-tweetet, ge-shared?

#1600pandas hat gut funktioniert. Es war ein schönes Bildmotiv, eine einfach Botschaft. Auch #weareallmonkeys hat wunderbar funktioniert. Es war geplant, ein Grundrauschen im Netz wurde erzeugt und die richtigen Leute haben am Anfang dafür gesorgt, dass sich die Message und die Bilder viral verbreiten.

Christian Brandes teilt auf seinem Blog Videos, die außergewöhnlich, spannend, lustig oder blöd sind. „First Kiss ist ein geiler Film, aber eine scheiß Werbung, weil man sich die Marke nicht merken kann. Bei Edeka’s Supergeil kennt man den Werbepartner“, so der Blogger. Und ferner: „Unternehmen, die direkt auf mich zukommen haben eigentlich keine Chance. Sie sollen ihr Geld lieber in geiles Video stecken, dann nimmt der Blog sie eh auf.“

Martin Giesler findet, dass das Video First Kiss es sehr gut geschafft hat, Werbung und Inhalt zu verschmelzen. „Das ist super schön und wurde von den Medien komplett gefressen. Journalisten müssen heute noch genauer aufpassen, die Inhalte zu differenzieren […] Journalistenkanäle dürfen nicht zu Werbekanälen werden.“ Native Advertising schafft es, dass Werbung nicht mehr als solche klassifiziert ist, sondern durch die Verschmelzung von Unternehmen und Medien kaum mehr differenzierbar ist.

Nach der erfolgreichen Viralität eines Videos kommt die Messung der Ergebnisse. Die Pandas wurden auf Instagram, Facebook und Twitter geteilt, aber darum spenden sie nicht automatisch für den WWF. Laut Melanie Gömmel ist das positive Ergebnis hier eher eine „Imagekampagne“.

Interessant ist das Verhalten im Netz, das darauf abzielt, sich im Netz zu schmücken: Das Teilen eines WWF Inhalts reicht den meisten schon. Häufig wird der Artikel nicht einmal gelesen und Handeln ist nach dem bereits erledigten Teilen eigentlich auch nicht mehr nötig. Ergebnisse und Erwartungen sollten daher vorher klar definiert werden.

Gestern Abend habe ich das Video www.youtube.com/watch?v=JPDXmbaXvgw gesehen. Fällt für mich in die Kategorie First Kiss. Steckt da jetzt auch eine Marke dahinter?

Todessternsünden

Von dem Thema „Zalando digital haten“ kommen wir direkt zu der Session, in der es um die digitalen Todsünden ging. Laura Sophie Dornheim spricht darüber, wie wir online all unsere guten Manieren verlieren und „weshalb es auch heute Sinn machen kann, über Sünden und deren Vermeidung nachzudenken“. Hochmut, Geiz, Zorn, Wollust, Völlerei, Neid, Faulheit sind wahrlich keine positiven Eigenschaften, in der Anonymität des Netzes mit einem Klick aber schnell passiert.

Lasst uns gemeinsam das Internet „etwas himmlischer“ machen.
Zur ganzen Session hier entlang: http://www.youtube.com/watch?v=N5MUVUOQXJM

Willkommen in meinem Wohnzimmer. Lifestyle Blogs

Zusammenfassend lässt sich tweeten:

„Lifestyle Blogger scheinen das immer perfekte Wohnzimmer zu haben und jeden Abend Rosmarinbutter zu essen. #Fernwärme #OnlineStalking #rp14.“

Hier entlang zu den ganz besonders hübschen Lifestyle Blogs:

http://stepanini.wordpress.com/
http://www.m-i-ma.com/2014/05/ein-blick-hinter-fein-und-raum.html
http://schischiundheititei.de/index.php/hallo/
http://smorbrodsyltetoy.blogspot.de/

Als (Lifestyle-) Bloggerin hat man am Anfang nur die eigene Mutter als Leserin. Nach ca. einem halben Jahr entwickelt sich langsam eine gewisse „Fernwärme“ zwischen der Bloggerin und den LeserInnen.

Beim Lesen von Blogs und Scrollen durch Instagram Accounts wird jeder zum Stalker. Es wird ein gewisser Voyeurismus bedient, man kann durchs Schlüsselloch in das Leben anderer Leute gucken. Das muss aber keineswegs heißen, dass sich das Leben auch genau so abspielt. Die eine Bloggerin verschweigt ihren Mann und ihre Kinder, die nächste fotografiert natürlich nicht die Schmutzwäsche sondern nur den schön dekorierten Ostertisch mit den perfekt positionierten Magazinen. Es wird eine selektive Auswahl des Privatlebens gezeigt. Jeder Blogger hat eine andere Schwelle, wann etwas zu privat ist, ist.

Ein Blog ist immer eine gewisse Inszenierung, kann aber dennoch authentisch sein. Neben der „Fernwärme“ gibt es natürlich auch das „Fremdschämen“, wenn zu viel preisgegeben wird.