Social Reading – virtuelle „book clubs“

Quelle: www.goodreads.com

Quelle: www.goodreads.com

Definition: „Ein online geführter, intensiver und dauerhafter Austausch über Texte.“

Wenn ich die Wohnung eines Freundes oder Bekannten das erste Mal betrete, ist das Erste was ich mir angucke, das Bücherregal meines Gastgebers. Was liest er, hat er Bücher, die ich auch habe? Wenn ja, was ist noch Interessantes zu finden, welche Bücher würde er empfehlen? Genau dieses Verhalten, diese Art des Stöberns in den Bücherregalen von Freunden und Bekannten, hat auch Otis Chandler dazu bewogen Goodreads zu gründen:

„One afternoon while I was scanning a friend’s bookshelf for ideas, it struck me: when I want to know what books to read, I’d rather turn to a friend than any random person or bestseller list.” – Zitat, goodreads.com

Neben LovelyBooks ist Goodreads in Deutschland die wohl bekannteste Social Reading Plattform. Der Betreiber von Goodreads ist seit 2013 Amazon, während LovelyBooks von der deutschen Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck betrieben wird. Neben diesen Seiten gibt es noch viele weitere Plattformen, mit mehr oder weniger ähnlichen Konzepten (z.B. die Plattform Was liest du?) Goodreads startete 2007 und hat zurzeit 25 Mio. registrierte User, 750 Mio. hinzugefügte Bücher und 29 Mio. Buchrezensionen vorzuweisen. Das deutsche Äquivalent LovelyBooks hat 105.000 registrierte User, 2,2 Mio. Rezensionen, Meinungen und Gespräche auf der Seite.

Im Kern haben beide Plattformen die gleiche Funktion: Man kann seine Bücher in virtuellen Bücherregalen speichern, Bücher, die man lesen möchte markieren, Rezensionen schreiben und sich über die aktuelle Lektüre, die Bewertungen und die Bücherregale seiner Freunde informieren. Außerdem erhält man Leseempfehlungen, basierend auf den Büchern in seinem Bücherregal.

Der Austausch, die Möglichkeit, über das Gelesene zu sprechen und neue Bücher für sich zu entdecken, das ist es, was Social Reading so attraktiv macht und die Menschen dazu motiviert, sich auf diesen Plattformen anzumelden.

Die Diskussion oder der Dialog über das, was einen beschäftigt ist menschlich und das „Social Reading“ an sich nichts Neues. Durch den Gedankenaustausch mit anderen kommen wir auf neue Ideen und können völlig neue Einblicke in die verschiedensten Texte gewinnen. So wie früher in traditionellen Lesekreisen oder beim Vorlesen vor Gruppen. Und durch diesen Austausch ist es uns möglich, neue Bücher, Autoren und Themen zu entdecken.

Ein großer Vorteil von Social Reading Plattformen gegenüber den traditionellen Lesekreisen ist, dass die Diskussionen zeitlich und räumlich unbegrenzt sind und auch die Öffentlichkeit daran teilhaben kann, sie aber dem einzelnen Leser doch eine gewisse Anonymität bieten. Eine Diskussion kann geführt werden, wann immer man die Zeit dafür findet und zwar mit Menschen aus aller Welt.

Ein anderer Aspekt dieser Plattformen ist, dass sie und weitere Social Reading Tools, dazu dienen können, das Leseverhalten zu analysieren, die Autoren können es als Plattform nutzen, um mit ihren Lesern in Kontakt zu treten, die Verlage sehen was gut bei Lesern ankommt und was nicht. Doch auch für die Wissenschaft können diese Plattformen wertvolle Daten liefern und es ermöglichen das Leseverhalten großer Gruppen in einem bisher unmöglichen Ausmaß zu analysieren.

Weitere Varianten des Social Readings sind z.B.: die Funktion Popular Highlights von Amazon (markierte Stellen in Ebooks werden gespeichert und erscheinen bei mehrmaligem Markieren als Highlights, beim Kindle erscheinen diese Markierungen dann bereits im neu gekauften Buch), die Readmill Ebook App (sie erlaubt es Textzeilen zu markieren und macht sie sichtbar für die anderen Nutzer der Plattform und die Kommentare anderer Leser können kommentiert werden). Ein weiteres spannendes Projekt ist das gemeinsame Lesen von Mehreren, z.B. Autoren, das online verfolgt werden kann, wie das Projekt „Der bleiche König“ (David Foster Wallace) vom Verlag Kiepenheuer & Witsch. Bei diesem Projekt, welches im Oktober 2013 startete, haben eine Reihe von Autoren den Roman auf ihren mobilen Endgeräten gelesen und Interessierte konnten selbst die Kommentare über die Plattformen online verfolgen und kommentieren.

Diese Plattformen eignen sich sehr gut für jeden Bücherwurm, der sich nicht nur gern allein in seine Lektüre vertieft, sondern auch mit anderen über Bücher sprechen möchte, sie bewertet und sich neue Anregungen für die nächste Lektüre holen möchte, aber keine Zeit oder Muße hat, an einem traditionellen „realen“ Lesekreis teilzunehmen.