Ist Deutschland Test-hörig?

Quelle: bilder.markt.de/images/cms/partner/kundenbewertung.jpg

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Manchmal frage ich mich, warum wir vielen Online-Bewertungen so blind vertrauen und wie diese Tests und Bewertungen eigentlich zustande kommen. Hilft mir eine Kundenrezession mehr als eine Bestenliste mit Produkttests und behält eigentlich irgendjemand den Überblick bei der unendlichen Auswahl an Vergleichsportalen? Auch wenn immer wieder über gefälschte Kundenrezensionen berichtet wird, sind Produktvergleiche und Kundenbewertungen eines der wichtigsten Entscheidungskriterien für Konsumenten. Warum vertrauen wir den Tipps von völlig Fremden, so wie der Empfehlung des besten Freundes? Dabei ist das Vergleichen vor allem anstrengend. Endet es doch häufig in einem Zustand völliger Verwirrung. Alles im Kopf dreht sich – spätestens beim Lesen der 100ster Bewertung.

Ein wichtiger Grund ist wohl, dass derjenige, der die Kritik geschrieben hat, das Produkt bereits in Händen hält, während wir noch online surfen und Entscheidungen anhand technischer Daten und Bildern treffen müssen. Zudem gehen Branchenkenner davon aus, „(…) dass 20 bis 30 Prozent der Bewertungen gefälscht sind.“[1] Fraglich ist deshalb wie zuverlässig die Rezessionen sind und ob es in naher Zukunft auch in Deutschland Agenturen geben wird, die sich hauptsächlich und professionell mit dem Beeinflussen von Kundenrezensionen auf Plattformen wie Amazone beschäftigen. In den USA hat dieser Trend bereits in vielen Marketingabteilungen Einzug gehalten und auch in Deutschland beginnen vor allem größere Unternehmen auf Bewertungen und Tests zu reagieren. Dies zeigt auch das aktuelle Beispiel der Unternehmen, die gegen den kritischen Mineralwasser-Test der Stiftung Warentest vorgehen wollen.[2]

Wie aber sollen Firmen mit schlechten Online-Kritiken umgehen, die vor allem in Bereichen wie dem Tourismus, direkten Einfluss auf die Kaufentscheidung haben? Laut eines aktuellen Urteils des BGH vom 01.07.2014 dürfen beispielsweise negative oder sogar unwahre Bewertungen weiterhin anonym abgegeben und die Nutzerdaten nicht offengelegt werden.[3] Dabei haben viele Bewertungen vor allem eines gemeinsam, sie spiegeln eine sehr subjektive Meinung oder lediglich eine Momentaufnahme wider.

Die Bedeutung der unterschiedlichen Bewertungsportale darf dabei nicht unterschätzt werden. Nach Expertenmeinung rangieren sie demnach als Informationsquelle direkt hinter Google, wenn es darum geht sich vor dem Kauf zu informieren.[4] Social Media kommt dabei vor allem die Funktion des Weiterempfehlens zu, demnach verlassen sich laut einer Umfrage 38 Prozent auf Facebook Content im Vergleich zu 61 Prozent, die ihre Kaufentscheidungen auf Mundpropaganda stützen.[5] Damit führt die analoge Empfehlung von Menschen die man tatsächlich kennt, nach wie vor die Statistik an. Je nachdem was verglichen wird, spielt aber auch der Preis eine große Rolle.

Laut einer Studie des Hightech-Verbands BITKOM lesen insgesamt 73 Prozent der Befragten die Bewertungen anderer Kunden, bevor sie etwas kaufen. Jedoch meinen nur 32Prozent, dass die Meinungen anderer Einfluss auf ihre Online-Kaufentscheidung hat. Sogar nur 2 Prozent teilen ihre Kaufentscheidungen über Soziale Netzwerke.[6] Interessant ist aber nicht nur, was aufgrund einer Empfehlung gekauft wurde, sondern auch, was aufgrund einer schlechten Kritik nicht gekauft wurde. Diesbezüglich gaben die Befragen eine Umfrage von Statista an, dass 21 Prozent bereits einmal und sogar weitere 30 Prozent mehrmals etwas aufgrund einer Rezession nicht gekauft haben. [7] Einfluss haben Rezessionen also auch auf das Kundenvertrauen und die Reputation der Marke.[8]

Als aufgeklärter Nutzer muss man darüber hinaus immer die Gefahr gefälschter Kritiken einbeziehen und skeptisch sein, wenn eine Kritik zu gut klingt. Vor allem ähnliche Formulierungen und Satzstrukturen sollten den Leser stutzig machen und deuten möglicherweise auf denselben Autor hin.

Vergleichsportale sind darum bemüht als objektive Ratgeber aufzutreten. Testsieger.de veröffentlicht sogar eigene Mini-Studien. Was ist der beste Online-Shops für Schuhe, Karnevalskostüme, Blumenhändler oder für Produkte rund um Baby & Kind? Hier werden vor allem Online-Portale miteinander verglichen. Auf der Webseite heißt es dazu: „Die Testsieger Portal GmbH führt unabhängige Produkt- , Dienstleistungs- und Shoptests durch, um die Markttransparenz für die Konsumenten zu erhöhen und die Kaufentscheidung zu erleichtern. Bei den Tests wird großer Wert auf Nachvollziehbarkeit und Transparenz gelegt.“[9] Und auch auf diesem Portal machen die Bewertungen von Kunden 25 Prozent der Produktbewertung aus. Man darf allerdings nicht vergessen, dass die Webseitenbetreiber ein großes Interesse daran haben, das der Kauf ebenfalls über die Vergleichswebseite abgewickelt wird. Dementsprechend steht bei den am häufigsten gestellten Fragen auf der Webseite an Platz eins die Fragen nach den Bestellbedingungen. Erst an letzter Stelle wird geklärt, wie sich die Produktnoten zusammensetzen.[10]

Online ist die Motivation der testenden und vergleichenden Autoren damit relativ klar ersichtlich. In der täglichen Arbeit haben wir uns jedoch zuletzt häufig gefragt, wie auch renommierte IT- und Hardware-Zeitungen ihre Glaubwürdigkeit bewahren wollen, wenn sie nicht nur von Anzeigen abhängig sind, sondern sich auch die Auszeichnungen für die Produkttests von den Herstellern zahlen lassen. Nach der Veröffentlichung des Tests können Unternehmen die Nutzungsrechte an den Produktbewertungen der Zeitungen kaufen und für Marketingzwecke verwenden. Das ist gängige Praxis bei praktisch allen großen Zeitungen und wirft die Frage auf, wie groß das Interesse der Testredaktionen an schlechten Testergebnissen ist, die im Gegenzug seltener oder gar nicht von den gekauft werden.

[1] www.zdf.de/wiso/gefaelschte-bewertung-in-internetportalen-und-im-online-shop-30955964.html

[2] www.focus.de/gesundheit/ernaehrung/news/verunreinigtes-mineralwasser-bund-deutscher-mineralbrunnen-kritisiert-testvorgang-von-stiftung-warentest_id_4019712.html

[3] https://www.bvdnet.de/verband/bvd-blog/post/2014/07/02/grundsatzurteil-bgh-vom-01072014.html

[4] www1.wdr.de/studio/duesseldorf/themadestages/arbeitgeberiminternetbewerten100.html

[5] marketingagenturhamburg.de/kaufverhalten-online-studie/.html

[6] www.bitkom.org/files/documents/BITKOM_E-Commerce_Studienbericht.pdf

[7] de.statista.com/statistik/daten/studie/2053/umfrage/beeinflussung-der-kaufentscheidung-durch-online-bewertungen/

[8] www1.wdr.de/fernsehen/aks/themen/bewertungsportal100.html

[9] www.testsieger.de/testsieger-studien/index.html

[10] www.testsieger.de/faq.html